06I23 Sassari, Sardinien (I). Seit einem Monat kurven wir über die zwei wunderschönen Mittelmeerinseln Korsika und Sardinien mit unseren "Straßenmotorrädern". Wir lassen uns bewusst entspannter treiben, um nach den anstrengenden Reisemonaten in Kanada und USA 2022 zukünftig einen meditativeren Modus des Reisens zu finden. "El Niño" ist uns dabei ein treuer Begleiter: Ausläufer der heftigen Unwetter mit extremen Regenfällen in Norditalien schwappen auch auf die Inseln und die herrlichen Landschaften versinken nicht selten in Regen, Nebel und Dunst. Trotzdem lieben wir unser Vagabundenleben ohne Routinen, Zwänge oder Abhängigkeiten. Tägliche unerwartete Ereignisse und Begegnungen wirken auf uns "Alte" wie ein "Jungbrunnen".
04.05.-05.06.2023 Deizisau_Pfunds_Reschenpass_Cagno_Lago d ´Idro_Maranello_Lucca_Pisa_Liverno_Bastia_Saint-Florent_ Calvi_Calcatoggio_Corte_Porto Vecchio_Bonifacio_Zonza_Sartene_Solenzara_Zonza_Vivario_Bastelica_Cauro_Petreto-Bicchisano-Porto Vecchio_Bonifacio-Santa Teresa di Gallura_Oschiri_Bitti_Nuoro_Cala_Gonone_ Ferrato_San Stefano_Arbatax_ Orsei_Siniscola_Nuoro_Bosa_Alghero-Stintino_Golf von Asinara_Sassari_Ponte Torres_Civitavecchia
Km 0 - Km 4.363
Die Hoffnung stirbt zuletzt, auch wenn mein Optimismus über längere Zeit auf eine harte Probegestellt wurde. Mit den zwei zusätzlich benötigten Operationen und der anschließenden Rehabilitation war eine rasche Rückkehr zu unseren Motorrädern, die bei "Irv Seaver BMW Motorcycles" in Orange,CA überwinterten und damit die Fortsetzung unserer Reise wegen der Regenzeit in Zentralamerika ausgeschlossen. Der Alternativplan war eine Europareise, um Ende September 2023 in die USA zurückzukehren. Ich wollte ans Nordkap, Brigitte wegen der vielen nassen und kalten Tage in Kanada und Alaska ins "Warme". Schon Goethe zog es 1786 wegen Kultur, Kunst, Wiedererlangung seiner Kreativität und der Mentalität der Menschen nach Italien. Zusätzlich bietet das landschaftlich wunderschöne Land eine hervorragende mediterranere Küche sowie in der ausgedehnten Gebirgslandschaft Kurven ohne Ende an. 237 Jahre nach Goethe überlegen wir uns folgende grobe Route : Korrsika_Sardinien_Amalfiküste_Sizilien_Kalabrien_Basilikata_Apulien bis zur Hauptstadt Bari. Von dort aus mit der Fähre nach Albanien und über Montenegro_Bosnien-Herzegovina_Kroatien_Slowenien_Italien_Österreich zurück in unsere provisorische Heimat nach Deizisau. Aus "Restbeständen" unseres daheim gelassenen Motorradequipments basteln wir uns eine funktionale Ausrüstung zusammen. Brigitte verfügt mit ihrer BMW S 1000 XR über ein Zweitmotorrad, BMW Brauneisen aus Wendlingen versorgt mich mit einer gebrauchten R 1250 GS und den notwendigen Koffern. Am 04. Mai 2023 brechen wir in Richtung Korsika auf...
Wir: lassen uns - ganz ungewohnt - um 7:00 am 04. Mai 2023 aus unserer Tiefschlafphase reißen. Trotz unserer umfangreichen Reiseerfahrung sind wir beide nervös: was wird uns erwarten, sind wir, bin vor allem ich wieder fit zum Reisen? Bei strahlend blauem Himmel, vorbei an tiefgelben Rapsfeldern, überqueren wir unsere geliebte Schwäbische Alb in Richtung Allgäu und Fernpass. In Pfunds schwelgen wir bei italienischem Cappuccino in Erinnerungen an unsere "Testreise" 2021, bevor wir den nahezu leeren Reschensee in Graun im Vinschgau bestaunen. Doch der Grund des fehlenden Wassers ist nicht die Klimaerwärmung, sondern banale Instandhaltungsarbeiten. Wir tauchen ins touristische Südtirol ein, passieren Kilometer um Kilometer die Monokultur der zusammenhängenden Apfelplantagen, deren Baumreihen, in Reih und Glied stehend, die Struktur der Landschaft prägen. Warum reagiere ich allergisch auf diese Äpfel? Weil sie ca. 20 mal zwischen den Ernten chemisch behandelt werden: Pestizide, Fungizide, Kunstdünger etc. In Lana biegen wir in die Berge nach St. Pankraz ab, die leeren, kurvigen Sträßchen bis auf 1.600 m sind eine Wohltat. Doch die fehlende Fahrpraxis macht sich bemerkbar. Selten hat ein Sturzbier so gemundet wie im empfehlenswerten "Hotel Viradis" in Cagno. Nach einem herrlichen Frühstück fahren wir in die Dolomiten. Doch deren Skiorte sind nach der Wintersaison trostlos ausgestorben, dafür begeistern die spitzen Türme aus Dolomitgestein und die gelben Löwenzahnwiesen umso mehr. Erneut schwelgen wir in Erinnerungen: am Lago d´Idro haben wir 2021 gezeltet und abends in der Pizzeria die Europameisterschaft im Fußball verfolgt, während draußen die Gewitter tobten. In der Poebene zuckeln wir bei zunehmender Fahrzeugdichte von Kreisverkehr zu Kreisverkehr und knallen uns ab Mantua bis Carpi auf die A22. Maranello ist Ferraristadt, von weitem sehen wir das Testgelände, die Farbe Rot dominiert. In der kurvigen Bergregion der Toskana suchen wir vergebens eine geöffnete Albergo. Zum Glück, denn trotz der vielen zusätzlichen kurvigen Kilometer fasziniert uns am Abend die geheimnisvolle, nahezu unbewohnt wirkende, dunkle historische Altstadt von Lucca mit ihren großen Plätzen, schmalen Gässchen, romanischen Kirchen und mittelalterlichen Türmen. Die durch vier Tore durchbrochene, noch intakte Befestigungsanlage trägt eine von Bäumen begleitende Promenade. Im 13. und 14. Jahrhundert zählte Lucca zu den einflussreichsten europäischen Städten. Auf dem Weg zur Fähre in Livorno passieren wir Pisa. Trotz Nebensaison quellt die "Piazza dei Miracoli" mit dem freistehenden Campanile ("Schiefer Turm von Pisa") vor Touristen über. Der Legende nach hat der aus Pisa stammende Galileo Galilei bei Fallversuchen vom Turm die "Fallgesetze" entdeckt. Wir schießen rasch einige Fotos und reihen uns 22 km später mit einigen Dutzend weiterer Motorradfahrer in die Warteschlange der "Corsica Ferries" ein. Knapp 6 Stunden dauert die Überfahrt nach Bastia, gegen 19:00 checken wir im Künstlerhotel "Bastia" ein und stürzen uns anschließend in das lebhafte Nachtleben. Aus allen Ecken ertönt Musik, die Restaurants und Bars an den Plätzen und in den Gässchen sind proppenvoll, es wird gelacht, getrunken, gegessen- was für eine beneidenswerte Atmosphäre! Wir haben unser erstes Ziel, die Insel Korsika erreicht.
Wir: schleppen bei strahlend blauem Himmel unser gesamtes Gepäck aus dem 2. Stockwerk des Hotels zu unseren Motorrädern und kurze Zeit später schwingen wir Kurve um Kurve entlang des ebenso blauen Mittelmeers, vorbei am Hafen von Macinaggio mit den schneeweißen Jachten zum nördlichsten Örtchen der Insel: Barcaggio. Wir sind im Urlaub und sitzen fast ungläubig am kleinen beschaulichen Fischerhafen mit der vorgelagerten "Ile de la Giraglia"! Das Fahrgefühl kommt zurück, die Fahrlinie wird mit jedem Kilometer, mit jeder Kurve exakter, uns überkommt ein unglaubliches Hochgefühl nach den vielen Monaten der (Selbst-)Zweifel. Port de Centuri lassen wir rechts liegen, an dessen hübschen Hafen wir 2017 genächtigt haben. Der Himmel zieht sich zu und wir beobachten ein seltsames Wetterphänomen: knapp über dem Wasser bildet sich eine "Wolkenschicht" (Kondensationswolken?) aus, die am Ufer abrupt endet und am fernen Horizont mit den höheren Wolken zu einer "grauen Suppe" verschmilzt. Nahe Saint-Florent am gleichnamigen Golf von Saint-Florent stellen wir-nur durch eine Straße vom weißen Sandstrand getrennt- unser altbewährtes (USA-)Zelt zum ersten Mal wieder auf. Die Abläufe verliefen schon geschmeidiger! Am Sandstrand Plage de Roya entlang wandern wir in das kleine historische Dorf Saint-Florent mit seinen verwinkelten Gassen, das wegen seines mediterranen Flairs aber auch des großen Yachthafens mit fast 1.000 Liegeplätzen oft als das "korsische Saint-Tropez" bezeichnet wird. Die Preise von Pizza und Bier erinnern jedenfalls an die mondäne Küstenstadt an der französischen Riviera - trotz Nebensaison. Bei meinem neuen Mobilfunk-Anbieter vergaß ich, Datenroaming für das Ausland zu beantragen und Brigittes vergessene Powerbank wartet im Hotel Bastia auf Abholung. So kurven wir am nächsten Tag zurück nach Bastia, erledigen mit dem Hotel WiFi unsere Hausaufgaben und relaxen am Nachmittag an unserem "Privatstrand". Wie in den "alten Tagen" in "Amerika" nur viel gechillter zelebrieren wir unser Zeltleben, entspannen am Strand, schwimmen im erstaunlich warmen Wasser, brutzeln uns ein schmackhaftes Abendessen, trinken französischen Rotwein bei untergehender Sonne und lauschen "entzückt" den quakenden Fröschen und singenden Vögeln beim Einschlafen und Aufwachen. Eine weitere kurvige Traumstraße entlang des blauen Wassers folgen wir Richtung Calvi. In Algajola erinnern wir uns an einen Nachmittag am Sandstrand. Die wenigen Urlaubstage im Sommer 2017 waren streng durchorganisiert. Heute fahren wir ohne Zeitdruck in die hügeligen Berge der Region "Balagne". Nur die ausgelaufene Milch im Tankrucksack stresst ein wenig. Schon von weitem erkennen wir die Citadelle von Calvi, wo wir einen erfrischenden "Capo Spritz" trinken und Fallschirmspringern der französischen Armee beim Fliegen beobachten. Umso enttäuschender ist der teure französische "Touristenfraß" aus Thunfisch Tatar und mehligen Pommes- von wegen Kochkunst und Esskultur der "Haute Cuisine francaise". Mitten zwischen den "Calvisten" trinken wir morgens unseren Cappuccino, essen ein Croissant Amandes und erfreuen uns an dem fröhlichen Geplappere der einheimischen Stammgäste. Die Straße nach Porto ist einerseits der absolute Hammer in Bezug auf Kurven und abwechslungsreichen Aussichten auf das windgepeitschte Meer, aber sie offenbart sich in einem miserablen Zustand, wenn man das "falsche" Motorrad (S 1000 XR) fährt. Kurz hinter Porto durchqueren wir die märchenhaften Formen der rötlichen "Tafoniefelsen" und fotografieren die herrliche Aussicht auf die Felsenküste der "Les Calanche". Weniger spektakulär gestaltet sich die Weiterfahrt zum "Golfu di a Liscia", wo wir für die nächsten 3 Tage neben 2 kinderreichen Familien aus dem Allgäu und Hamburg unser Zelt auf dem Campingplatz "A Marina" direkt am Meer aufschlagen. Selten haben uns Ravioli, Ackersalat und Tiramisu nach dem verkorksten Abendessen in Calvi so gut gemundet. Gekrönt wurde der Tag durch ein phänomenales Abendrot am windigen Strand. In Ajaccio kaufen wir uns Rückenprotektoren bei KTM (Alpinestars) und Schuhe bei Decathlon. Wie in Kanada senden wir einen Karton voller unnötiger Klamotten, u.a. auch die zu warmen Ortema Protektorenjacken und unsere schweren Wanderstiefeln zurück in die Heimat. Das Wetter ändert sich zusehends, auf dem Festland Italiens (Emilia-Romagna) herrscht Regenchaos. Auch unser Motorradausflug nach Serra-di-Ferro endet in der dortigen Pizzeria wegen heftiger Niederschläge. Dafür ist die Pizza genial! Die nächtlichen Regengüsse sind so stark, dass das Vordach des benachbarten Campers kollabiert. Wir wandern am darauffolgenden Tag am Strand von Liscia entlang, fotografieren Blumen mit IPhone Portrait/Bühnenlicht und treffen uns abends mit den sehr sympathischen Fernreisenden Daniela und Wolfgang (Discoveringtheworld- seit 2019 unterwegs) bei nicht enden wollenden Gesprächsthemen. Wir Langzeitreisenden ticken einfach ähnlich, obwohl die Gründe für das Reisen oft sehr unterschiedlich sind. Selbstverständlich spielt das Wetter bei Motorradreisenden eine wesentliche Rolle: heute sind die Berge ausnahmsweise nicht in dunkle Wolken gehüllt, nach Ajaccio folgen wir einsamen, selbstverständlich kurvigen Straßen, die in die Bergregion von "Corse du Sud" führen. Über Bastelica_Bocognano_Venaco erreichen wir Corte, biegen aber wegen der unsicheren Wettervorhersage voll beladen sofort in die "Gorges de la Restonica" ab. Die Straße windet sich mit einem Höhenunterschied von fast 1.000 m teilweise abenteuerlich durch die eng stehenden Felsen hindurch. Bei einem Cappuccino in der Hütte am Straßenende buchen wir ein Hotel in Corte, fahren im leichten Nieselregen aus der Schlucht und erfreuen uns an den kurzen Sonnenstrahlen, während wir die malerische Altstadt mit ihren engen Gässchen zwischen den schiefen und schiefergedeckten, teils deutlich "baufälligen" Häusern durchstreifen. Der morgentliche Wetterhinweis auf Unwetter mit Windstärken bis 80 km/h alarmiert uns. Noch sehen wir einzelne blaue Flecken, doch die tiefschwarzen Wolkenberge nähern sich mit rasender Geschwindigkeit. In Zuani erschreckt mich in einer 180° Haarnadelkurve das kratzende Geräusch von Metall auf Asphalt. "Guckt man S...,fährt man S: den Blick in einer 180° Kurve bei 90° einzufrieren und mit eingeschlagenem Lenker in einer stark geneigten Kurve mit überladenem Motorrad zu bremsen ist eher kontraproduktiv. Zum Glück ist Brigitte nichts passiert und auch dem Motorrad fehlt nur ein vorderes Blinklicht. Der Regen setzt urplötzlich mit hoher Intensität ein, wir streifen uns noch die Regenjacken über und sind doch bald triefend nass. Die engen, steilen und kurvigen Sträßchen sind rutschig, auch durch den Tierkot der vielen Kühe, (Wild-)Schweine und Ziegen. Vorsichtig lavieren wir uns ins Tal hinunter, hinter jeder Kurve könnte uns ein entgegenkommendes Fahrzeug gefährden. Kurz vor Alena erreichen wir auf der Inselostseite die Verbindungsstraße Bastia-Bonifacio. Der Himmel ist in beide Richtungen tiefschwarz, wir entscheiden uns spontan, weiter in den Süden zu fahren. Kurz vor Porto-Vecchio mieten wir uns wegen der prognostizierten Unwetter für die nächsten Tage ein Mobilhome.
Wir: lauschen seit 3 Tagen und Nächten dem nicht enden wollenden Trommeln der Regentropfen auf unserem dünnen Mobilhomedach. Die sinnflutartigen Regenfälle haben Korsika fest im Griff. Dank der erstaunlich präzisen Vorhersagen unserer Regenradar-App nutzen wir die wenigen trockenen Stunden dazu, die historischen Altstädte von Porto-Vecchio und Bonifacio zu besichtigen. Schon 2017 waren wir vom Flair Bonifacios begeistert, das halbinselartig an der Südspitze Korsikas teilweise auf überhängendem weißem Kalkfels 60 m oberhalb des Meeres schwebt und über eine Zugbrücke fußläufig erschlossen wird. Die exponierte Lage der Stadt (gegründet im Jahr 828) verwickelte sie im Laufe der Jahrhunderte immer wieder in kriegerische Auseinandersetzungen und erklärt ihren Ausbau zu einer Festung. Die engen, kopfsteingepflasterten Gassen und steilen Treppen der "Ville Haute" werden von vier- bis sechsstöckigen, dicht an dicht gedrängten Häusern gesäumt, die oft nur einen Raum tief sind. Von den Panoramaterrassen aus schweift unser Blick über die Meerenge zu den Umrissen der nur 12 km entfernten Insel Sardinien, die sich ebenfalls unter einer dichten, dunklen Wolkendecke präsentiert. Wir schlendern gemütlich an kleinen Läden und Ateliers sowie den vielen Bars und Restaurants vorbei, die typische korsische Gerichte anbieten (sollen). Im Westen des Zentrums liegt der beeindruckende Meeresfriedhof "Cimetiere marin de Saint-Francois", der mit seinen Mausoleen und Familiengruften, Gassen und Plätzen wie eine kleinen Stadt organisiert ist und im Gegensatz zum Trubel in der Altstadt einen sehr meditativen Charakter aufweist. Liebevolle Pflege und langsamer Verfall bilden eine spannende Symbiose und die halbverwitterten Grabtafeln relativieren das Zeitgefühl. Ein Restaurant oder Cafe neben dem anderen säumen das Hafenbecken, das ähnlich eines Fjords ausgebildet, manche pompöse Yacht vor heftigem Seegang schützt. Auch am "Vatertag" hat der Wettergott kein Einsehen: mit vielen (Möchtegern-)Vätern (und -Müttern) kurven wir - vorbei am dunklen Stausee von L ´Ospedale - in das Gebirge "Alta Rocca" nach Zonza. Das Dorf besteht aus wenigen Gebäuden, die alle Restaurants beherbergen, in denen es von Bikern nur so wimmelt: zufällig sind wir in einem korsischen Bikertreff gelandet. Während unterwegs die "Linke zum Gruß" ein Muss zu sein scheint, schweigen sich auch die korsischen Motorradfahrer ohne Motor zwischen den Schenkeln ähnlich an, wie wir es aus dem kommunikativärmeren Deutschland gewöhnt sind. Über Quenza,_Aullene_Ste.-Lucie landen wir mit den ersten Regentropfen in Sartene. Dunkle Wolken erzwingen eine rasche Stadtbesichtigung auf dem Moped und schon tauchen wir wieder in die bergigen Wälder ein. Neben der fast furchteinflößenden, da nahezu komplett geschlossenen, dunklen, mittelalterlichen "Eglise Saint Jean Baptiste de Carbini" mit dem großartigen frei stehenden Kampanile, vespern wir andächtig und danken für die kurze Regenpause. In der Ferne grüßt ein sonnenbestrahltes Meer und im Hafen von Porto-Vecchio lassen wir einen spannenden und abwechslungsreichen Fahrtag mit den letzten Sonnenstrahlen gemütlich ausklingen. Morgen, 23. Mai 2023 setzen wir von Bonifacio, Korsika nach Santa Teresa, Sardinien über. Der Wettergott hat ein Einsehen: bei bedecktem Himmel fahren wir an unserem letzten Fahrtag auf Korsika nach Solenzara und biegen dort auf die regennasse und kurvige D 268 ab, die durch eine dramatische Schlucht mit an die Dolomiten erinnernden spitzen, rötlichen Felsgipfeln wieder nach Zonza führt. Die Kurven über die schmale nach Norden führende D 69 fahren wir wie im Rausch: Zicavo_Col de Verde_Col de Sorba_Vivario. Wären da nur nicht die Hunde, Kühe, Schweine oder Ziegen, die meist hinter Kurven oder Engstellen unser Adrenalin stets aufs Neue in Wallung bringen. Wir lieben kleine Sträßchen wie die D 27 nach Bastelica und weiter nach Cauro. Bei zwischenzeitlich wolkenlosem Himmel kurven wir ab Petreto-Bicchisano erneut entlang herrlicher roter Felsformationen bei spektakulären Ausblicken über das Tal bis hin zum blauschimmernden Meer am fernen Horizont. Als die ersten Fledermäuse lautlos durch den Himmel schießen, schleppen wir uns groggy und doch glücklich zu Pizza und Bier. Die Sonne scheint, als wir uns vollbepackt mit der Moby Fähre 12 Kilometer von Bonifacio nach Santa Teresa schippern lassen. Über den korsischen Berggipfeln türmen sich bereits wieder riesige Wolkentürme auf, heftige Gewitter sind für den Nachmittag angesagt...
Korsika: ist nach Sizilien, Sardinien und Zypern mit 8.722 km² die viertgrößte Insel im Mittelmeer (ca. 180 km N-S, 83 km O-W) und ist seit 1768 eine französische Gebietskörperschaft mit ca. 330.500 Einwohnern. Hauptstadt ist die Hafenstadt Ajaccio. Trotz ihrer Zugehörigkeit zu Frankreich ist Korsika von Italien kulturell und sprachlich geprägt. Die Befürchtung um die eigene Identität bewirkt seit den 60ger Jahren einen Aufschwung des korsischen Nationalismus. Ca. 60-100.000 Korsen sprechen noch heute korsisch. Korsika litt bis 2020 unter einer Mafia-ähnlichen organisierten Kriminalität. Die Insel ist mit 120 Zweitausender die gebirgigste Insel im Mittelmeer (Monte Cino 2.706 m) und wird wegen ihres Mittelmeerklimas jährlich von ca. 3 Mio. Touristen besucht. 80% des Bruttoinlandproduktes wird durch den Tourismus erwirtschaftet (ca. 2.5 Milliarden Euro), davon 50% im Juli und August.
Wir: trinken gerade mal ein Cola und schwupps sind wir schon in Santa Teresa di Gallura auf Sardinien gelandet. In weiter Ferne grüßen die Berge, doch wir genießen auf der Strecke nach Oschiri vorerst flache, mit viel Wein bebaute, an die Toskana erinnernde Landschaften. Als wir in Bitti unser "Sturzbier" trinken, werden wir Zeugen eines merkwürdigen Umzugs: Reitern mit unterschiedlichsten Flaggen folgen hupenden Fahrzeugen, die teils sehr sonderbar mit "Grünzeug" dekoriert sind und denen heftig und fröhlich von den Bewohnern Bittis zugewunken wird. Hmm! Unter Motorradfahrern berühmt: die geilen Kurven zwischen Bitti und Nuoro, auch als "Orgasmusstrecke" bekannt. Nach dem Tunnel hinter Dorgali landen wir im erinnerungsträchtigen Cala Gonone, dem Treffpunkt mit Bikeinstruktor "Max", der uns die letzten Jahre nicht nur über die dann folgende, extrem kurvenreiche SS 125 nach Arbatax jagen ließ! Der Urlaubsrummel hat schon begonnen, deshalb verziehen wir uns in das enge Bergdorf Ulassai mit seinen spektakulären Kletterfelsen. Die nächsten zwei Tage toben wir uns in der felsigen Hochebene der "Barbagia" sowie dem "Gennargentu-Massiv" aus: uns faszinieren nicht nur die unendlichen Kurven, sondern auch dieses teils sehr karge, oft bewaldete Land der Hirten, die in der Macchia mit den gelb strahlenden Ginsterbüschen ihre Schafe und Ziegen weiden. Sie leben in den meist wie Vogelnester in die Berge gebauten, braunbeigen Dörfern in der immer noch wenig erschlossenen Einöde zwischen Steineichen und Edelkastanien. Sardisch wird in diesem Teil der Insel zumeist besser verstanden als Italienisch. Wie auf Korsika kündigt fernes Grollen das herannahende Gewitter an: jeden Nachmittag streifen wir uns leise fluchend wieder die Regenkombis über.
Wir: haben Lust auf Meer und Bräune und haben uns dafür das Capo Ferrato mit seinen weißen Sandstränden und duftenden Pinienwälder ausgesucht. Über Ballao fahren wir an Cagliari vorbei, überqueren den unspektakulären Pass "Valico Arcu e Tidu, um uns dann durch unzählige herrliche Kurven durch die malerische Schlucht "Gola d. Rio Cannas" mit ihrer bezaubernden Landschaft bis zur Ortschaft Muravera ins Tal zu schlängeln. Der wegen der Pfingstferien einzig noch erhältliche Zeltplatz ist ohne schattenspendenden Bäume: wir leisten uns einen Bungalow! Um uns "heile" Familienwelten mit Sandlöcher grabenden Vätern, quasselnden Müttern und quengelnden Kindern. Die Freude über das Erreichen des Relegationsplatzes des VFB Stuttgart vereint uns für kurze Zeit. Wir liegen faul am Strand, schwimmen im 24°C warmen Meer, kochen Leckeres, genießen das "Dolce Vita" und grillen bei dem netten Motorradpärchen Alexandra und Peter Berge an Fleisch. 2,5 Tage "ertragen" wir diesen Zustand. Im Nieselregen blicken wir im südlichen San Stefano auf ein graues Meer, später im grauen See auf weitentfernt stelzende weiße Flamingos. Erst das Eis in Tortoli, dann der hübsche Innenhof im Hotel "Vecchio Mulino in Arbatax, vor allem aber das neue Visier für Brigittes Schuberth Motorradhelm, das ihre Freundin Sigrid bei Louis in Deutschland besorgte und an "Stefano", dem Hoteleigner versandte, katapultieren uns wieder in eine fröhlichere, wetterunabhängigere Stimmung. Weder auf Korsika, noch auf Sardinien, sondern nur in Rom wäre eventuell ein Austauschvisier erhältlich, teilt uns wenig hilfreich Schuberth mit. Wir belohnen uns mit einer weiteren Hatz über die SS 125, vielleicht der schönsten Motorradstrecken Sardiniens? Zwischen Orosei und Siniscola windet sich ein spektakuläres kleines Sträßchen durch die steilen Berge, das wir wegen des vielen Sands auf Grund der ungewöhnlich heftigen Regenfälle in den letzten Wochen kaum genießen können. Zudem fängt es bereits wieder zu regnen an. Die Visiere sind beschlagen, die Sicht ist unterirdisch, die Straßen löchrig: wir flüchten völlig durchnässt nach Nuoro, das zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine kulturelle Blüte erlebte, die der Stadt die Bezeichnung „sardisches Athen“ einbrachte und das noch heute durch ein reges Kulturleben geprägt ist. Entspannt und trocken flanieren wir entspannt durch die mit Kieselsteinen gepflasterten engen Gässchen, vorbei an alten Steinhäusern, Höfen, Bogengängen und stoßen immer wieder unerwartet auf kleine Plätzchen.
Wir: haben uns in Bosa, einem der malerischsten Orte Italiens schon 2021 verliebt. Dichte Korkeichenwälder, Olivenhaine, Weinberge, kurvige Bergstraßen und prairieähnliche gelbe Grasebenen begleiten uns auf unserer Strecke von Nuoro über Ozieri_Thiesi_Romana bis Bosa, dessen in vielen Farben schillernde Stadtkulisse am Hügel vor dem Fluss Temo unerwartet vor uns auftaucht. Durch schmale Gässchen mit Kopfsteinpflaster manövrieren wir vorsichtig zu unserer Pension, die mitten in der dicht bebauten Altstadt liegt. Trotz des modrigen Geruchs von Schimmelpilz in unserer Mansarde genießen wir nicht nur das Postkartenmotiv mit der 1871 aus dem typischen roten Trachyt errichteten Ponte Vecchio, der Hauptzufahrtsbrücke über den Temo, mit den farbigen Häusern Bosas als Hintergrund, die Flanier- und Shoppingmeile entlang der Corso Vittorio Emanuele mit ihren zahlreiche Cafes, Bars, Restaurants und Souvenirshops, sondern insbesondere auch die romantischen, steilen Aufstiege durch die engen und morbiden Häuserschluchten der typisch kolorierten historischen Altstadt, die unweigerlich unterhalb der Burgruine des "Castello Malaspina" enden. Ihren Höhepunkt erreicht die fast märchenhafte Atmosphäre Bosas bei Nacht, wenn sich die maroden Fassaden im funzeligen Licht der Straßenlaternen immaterialisieren, fröhliches Gelächter aus den wuseligen Kneippen dringt und die groovige Musik der Straßenmusikanten Jung und Alt gleichermaßen zum Swingen animiert. Wehmütig verlassen wir Bosa, obwohl vor uns eine der landschaftlich schönsten Strecken der Insel entlang der Westküste mit einsamen Badebuchten und kristallklarem Wasser bis nach Alghero liegt. Bilder eines Strandes mit feinstem weißen Sand und kristallklarem Wasser mit Farbnuancen aus Türkis bis Tiefblau locken uns vorbei an Stintino zum "Golf von Asinara", einem der angeblich schönsten Tropenstrände Europas im äußersten Nordwesten Sardiniens. Doch in Realität präsentieren sich solche Touristenspots oft eher ernüchternd: Liege an Liege, auf engstem Raum, ein Meer an gelben Sonnenschirmen und Unmengen an Touristen bereits in der Vorsaison lassen uns Reißaus nehmen nach Sassari, der zweitgrößten Stadt der Insel.
Wir: wollen in Sassari am Reiterfest "Cavalcatta Sarda" mit seinem folkloristischen Umzug teilnehmen, das wegen der heftigen Regenfälle in diesem Jahr um 14 Tage nach hinten verschoben wurde. Doch die Wetteraussichten bleiben weiterhin bescheiden: schwarze Wolken drohen am Himmel, als wir uns auf dem "Piazza d'Italia", dem zentralen Platz Sassaris, unter die Zuschauer mischen. Fröhlich winkende, oft auch sehr förmlich dreinblickende Frauen, Männer und Kinder in traditionellen Kostümen, aber auch wilde Maskenträger ziehen bei Klängen alter Musik kurz nach Festauftakt an den vielen Regenschirmen vorbei, die uns bald die Sicht versperren. Schutzsuchend irren die Trachtenträger*innen durch die Gassen, als der Himmel seine Schleusen öffnet. In der Mittagsschwüle wandern wir zum "Ippodromo di Sassari" und erfahren vor Ort, dass der Höhepunkt des Festes, die "Pariglie", das Pferderennen, ebenfalls den schlechten Wetterprognosen zum Opfer fällt. Enttäuscht stürzen wir uns in den Trubel des parallel stattfindenden Krämermarktes. Völlig entsetzt beobachten wir, wie noch lebende Aale aufgespießt und zuckend über den glühend heißen Kohlen geröstet werden. Am Abend lauschen wir auf der Piazza d’Italia unter blauem Himmel den traditionellen Gesängen zu Klängen von Ziehharmonikas und "Launedda", einem Blasinstrument, das auf Sardinien mindestens seit 2.900 Jahren im Einsatz ist. Wir beobachten die traditionellen Tänze der Gruppen mit ihren aufwändigen, historischen Kostümen, die einmal im Jahr aus ganz Sardinien für dieses Fest nach Sassari reisen. Fast 40°C zeigt das Motorradthermometer an, als wir durch die schöne Innenstadt von Ponte Torres und wenig später die steile Rampe in den Bauch der Fähre "Barcelona" hoch fahren. Das Schiff tuckert durch die "Straße von Bonifacio" vorbei an "unseren" zwei wunderschönen Inseln, über deren Berggipfeln sich bereits wieder dunkle Wolkenberge auftürmen. Im "Salon" dröhnen Pink Floyd und Co., nach knapp 8 Stunden sind wir eisgekühlt und einem Hörsturz nahe, als das italienische Festland mit der die Silhouette von Civitavecchia am Horizont auftaucht.
Seit dem Jahr 1711 verwandeln am vorletzten Sonntag im Mai im Rahmen des nicht-kirchliche Fest "Cavalcata Sarda" bei einem Umzug ca. 60 Gemeinden und 3.000 Teilnehmer in einem bunten Spektakel aus Tanz und Musik Sassari in ein Farbenmeer. Sie zeigen ihre traditionellen, aufwändig mit Stickereien und filigranem Schmuck aus Gold und Silber verarbeiteten Trachten ihres Herkunftsortes-zu Fuß oder auf von Ochsen gezogenen blumengeschmückten Karren. Auch ca. 300 Reiter mit ihren edlen Pferden aus sardischer Zucht betonen das Brauchtum Sardiniens. Die Mutigsten unter Ihnen führen auf der Pferderennbahn spektakuläre, akrobatische Kunststücke auf laufenden Pferden vor. Das Fest klingt bis spät in die Nacht auf der Piazza d’Italia mit traditionellen Gesängen und Tänzen zum Klang der Launeddas und der Ziehharmonikas aus.
Sardinien ist – nach Sizilien – mit ca.24.090 km² und ca. 1,6 Mio Einwohnern und 3,5 Mio. Schafe die zweitgrößte Insel im Mittelmeer. Die Nord-Süd-Ausdehnung Sardiniens beträgt ca. 270 km, die Ost-West-Ausdehnung ca. 145 km. Die autonome Region Sardinien mit Hauptstadt Cagliari ist eine der 20 Regionen der italienischen Republik. Nur wenige Sarden sprechen noch das zu den romanischen Sprachen gehörende "Sardisch". Durch die kulturelle und linguistische "Italianisierung" der Sarden seit dem späten 18. Jahrhundert ist die sardische Sprache sehr gefährdet. Die sardische Wirtschaft lebt hauptsächlich vom Tourismus mit ca. 2,5 Mio. Touristen und von der Erdölindustrie. Von Bedeutung sind außerdem Wein (Cannonau) und Schafskäse (Pecorino sardo), sowie die traditionelle Korkproduktion. Sardinien ist ein Reservat für Tausende seltener Tier- und Pflanzenarten.
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